Stefan Muenz: Aufmerksamkeit - die neue Waehrung

Liebe Forumsbesucher,

mal wieder etwas Nahrung fuer die feineren Schichten der Hirnrinde:
http://www.heise.de/tp/deutsch/special/auf/6313/1.html

Dort findet ihr einen wie ich finde sehr gut geschriebenen, anregenden und interessanten Artikel mit dem Titel "Jenseits von Geld und Information - zur Oekonomie der Aufmerksamkeit".

Es geht in dem Artikel darum, fuer die Wissenschaft von der Oekonomie einen neuen Begriff herauszuarbeiten, der geeignet ist, um in der Informationsgesellschaft als Mass der Dinge zu gelten, so wie in der Industriegesellschaft das Geld als Mass der Dinge galt.

Denn - und das arbeitet Georg Frank in dem Artikel finde ich hervorragend heraus - in der Informationsgesellschaft geht es wirtschaftlich gesehen nicht so sehr darum, Produkte fuer Geld zu verkaufen, sondern darum, Information so attraktiv anzubieten, dass sie Aufmerksamkeit erregt. Je mehr Menschen sich bewusst mit einer Information beschaeftigen, desto groesser ihr wirtschaftlicher Wert in der Informationsgesellschaft. Das kann man sehr schoen sehen an all den vielen Homepages, die um nichts so sehr buhlen als um Beachtung. Dahinter sitzen keine Geldgierigen mehr, dahinter sitzen Ruhmgierige. Denn Ruhm - so Georg Frank - ist in der Informationsgesellschaft die hoechste Einkommensklasse.

Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut, und je mehr konkurrierende Informationsangebote an die Oeffentlichkeit draengen, je groesser die Informationsflut, desto knapper wird es, und desto groesser die Anzahl der "Verlierer" unter den Informationsangeboten.

Natuerlich kann die Aufmerksamkeit nicht das Geld ersetzen. Ebensowenig wie die Informationsgesellschaft die Industriegesellschaft ersetzen kann. Diese hat ja auch die Agrarwirtschaft und den natuerlichen Warentausch nicht vollstaendig ersetzt. Es handelt sich lediglich um eine neue Schicht im Sedimentmodell des menschlichen Wirtschaftens. Aber wenn man sich diese Dinge mal bewusst macht, dann versteht man viel besser, worauf es eigentlich ankommt - auch beim Homepage-Erstellen: auf das Geschick, Besucher zu fesseln und auch wiederkommen zu lassen. Was das fuer's Alltagsgeschaeft Bei Layouts, Navigationskonzept, User-Interaktion und netten Spielereien bedeutet, mag jeder selbst entscheiden...

viele Gruesse
  Stefan Muenz

  1. Liebe Forumsbesucher,

    mal wieder etwas Nahrung fuer die feineren Schichten der Hirnrinde:
    http://www.heise.de/tp/deutsch/special/auf/6313/1.html

    Dort findet ihr einen wie ich finde sehr gut geschriebenen, anregenden und interessanten Artikel mit dem Titel "Jenseits von Geld und Information - zur Oekonomie der Aufmerksamkeit". [...]

    Ist ein guter artikel, habe mir darüber auch schon mal länger gedanken gemacht. Aber erst jetzt bin ich draufgekommen, daß du Stefan, eigentlich Steinreich sein mußt. Willst nicht etwas sozial sein und den armen SELFBrowser-Entwickler etwas von deinem Reichtum abgeben *G*.

    <kleiner vorweihnachtlicher exkurs>
    Es kommt ja jetzt eh Weihnachten wo wir auf einem alle, wie auf knopfdruck, schuldgefühle bekommen und auf einem großzügig und spendenfreudig werden. Irgendwie könnte ich mich jetzt schon wieder über diese heuchelei aufregen - aber besser zu weihnachten was gutes tun - als das ganze jahr seine reichtümer horten
    </kleiner vorweihnachtlicher exkurs>

    CU Roman

    1. Hallo Roman

      Aber erst jetzt bin ich draufgekommen, daß du Stefan, eigentlich Steinreich sein mußt. Willst nicht etwas sozial sein und den armen SELFBrowser-Entwickler etwas von deinem Reichtum abgeben *G*.

      Naja, mit dieser Art Reichtum ist es wie mit jeder: erstrebenswert ist er nur, solange man ihn nicht hat.
      Und was den SELF-Browser betrifft: da habt ihr ja eure Downloadzahlen. Das ist euer Aufmerksamkeits-Reichtum ;-)

      Irgendwie könnte ich mich jetzt schon wieder über diese heuchelei aufregen - aber besser zu weihnachten was gutes tun - als das ganze jahr seine reichtümer horten

      Ich finde, man sollte vor allem das verschenken, was man in besonderem Masse hat. Die meisten Leute haben nicht so viel Geld, deshalb ist es eigentlich ganz schoen viel verlangt von ihnen, wenn sie von dem bisschen noch was abzweigen sollen. Die Reichen, die sollten um so mehr Geld spenden. Die "normalen Leute" koennten dagegen so was spenden wie "Zuneigung" gegenueber Mitbuergern - vorausgesetzt, sie haben davon, bzw. sind in der Lage dazu. Na, und ich spende eben am liebsten Gedanken, Erklaerungen usw. Koennen auch viele Leute gebrauchen.

      viele Gruesse
        Stefan Muenz

      1. Moin Stefan,

        Na, und ich spende eben am liebsten Gedanken, Erklaerungen usw.

        Dein Posting hat mich dazu angeregt, darüber nachzudenken, was ich denn so verschenken könnte. Naja, im Moment eigentlich nur gute Laune, sonst gibts nix. Alles andere liegt zur Zeit auf Eis, was auch mal gut tun soll. Bei Schlehen ist es sogar Pflicht, dass sie einmal gut durchgefroren werden, ehe sie zu Schlehenfeuer verarbeitet werden, habe ich heute erfahren ;-)

        Bis dann

        Schlehe

        PS. Und nun lauft mal schön Pseudos nach <g>

  2. Hallo Stefan!

    Ehrlich gesagt, kann ich nicht ganz nachvollziehen, was Du an diesem Text so bemerkenswert findest. Er gehört zu den schlechtesten, die ich je bei Telepolis gelesen habe - meiner Ansicht nach eine Mischung aus Binsenweisheiten und Ansichten eines Menschen, für den das Wichtigste im Leben ist, möglichst weit oben in der sozialen Hirarchie zu stehen.

    Daß ein Mensch neben materiellen Werten auch nach Aufmerksamkeit strebt, ist doch nun wirklich ein uralter Hut. Selbst bei höheren Lebewesen, die in Gruppen leben (z.B. Delphinen) läßt sich  dieses Verhaten schon beobachten. Mit der Verlagerung von geistiger auf körperliche Arbeit

    <cite>So unterscheidet sich denn auch geistige von körperlicher Arbeit dadurch, [...] daß neben der Entlohnung in Geld die in Beachtung zählt.</cite>

    hat das m.E. nichts zu tun. (Es sei denn, man wertet z.B. das Training eines Sportlers für die Olympiade als geistige Arbeit...)

    Wahr und neu in der Informationsgesellschaft ist, daß die erlangte Aufmerksamkeit direkt proportional zum allgemeinen Nutzen der eigenen Arbeit ist. Den Schluß auf

    <cite>Für eine große und rasch größer werdende Zahl von Menschen schneidet die verfügbare Aufmerksamkeit die realisierbaren Erlebnismöglichkeiten schärfer aus dem Bereich des theoretisch Möglichen aus als das verfügbare Geld.</cite>

    kann ich aber nicht ganz nachvollziehen.

    Davon abgesehen gibt es beim Erlangen von Ruhm einen mindestens ebenso großen Anteil von Willkür und Ungerechtfertigtkeit wie beim Erlangen von Geld. Man denke nur mal daran, welchen "enormen" Beitrag zu unser aller Wohlergehen eine Verona Feldbusch leistet - oder Hunderte von Fußballspielern, die jeder zweite deutsche Mann besser kennt als auch nur einen lebenden Wissenschaftler.

    Meiner Ansicht nach sollten - und werden - die Menschen nicht einen banalen Maßstab (Geld) durch einen anderen (Ruhm) ersetzen. Wer nach Ruhm streben will: nur zu! Bei Lichte betrachtet ist Ruhm aber zu willkürlich, um ihn als Richtlinie fürs Leben verwenden zu können. Wer weiß, daß er das Richtige tut, sollte sein Ding durchziehen - egal, ob er damit reich und/oder berühmt wird.

    Herr Franck kommt wahrscheinlich aus der akademischen Forschung, was Sprüche wie

    <cite>Das reguläre Maß wissenschaftlicher Information ist die Häufigkeit, mit der sie zitiert wird. Das Konto der Zitate des Autors mißt dessen wissenschaftliche Produktivität.</cite>

    oder

    <cite>Wissenschaftliche Hypothesen, Theoreme und Tatsachen werden nicht gegen Höchstgebot verkauft, sondern publiziert. [...] Also kann es auf keinen Fall die Bereitschaft zur Geldzahlung sein, an der sich der Wert wissenschaftlicher Information bemißt. </cite>

    vermuten lassen. An unseren staatlichen Unis könnte man tatsächlich manchmal den Eindruck gewinnen, der einzige Zweck wissenschaftlicher Arbeit wäre, den Ruhm (bzw. Science Citation Index, den ich übrigens absolut lächerlich finde) des jeweiligen Profs zu erhöhen. Ich denke, in der privatwirtschaftlichen, anwendungsnahen Forschung läßt sich der Wert einer Entwicklung aber durchaus ziemlich gut in Mark und Pfennig ausrechnen.

    Mein Fazit: Aus Sicht der Aufmerksamkeit war dieser Text für Herrn Franck ein echtes Schnäppchen.

    Gruß
    Steffen

    1. Hallo Steffen

      meiner Ansicht nach eine Mischung aus Binsenweisheiten und Ansichten eines Menschen, für den das Wichtigste im Leben ist, möglichst weit oben in der sozialen Hirarchie zu stehen.

      Kann ich wiederum nicht nachvollziehen. Der Autor scheint mir "redlich" seine Gedanken zu verfolgen. Selbstbeweihraeucherndes kann ich da nicht finden in dem Artikel.

      Daß ein Mensch neben materiellen Werten auch nach Aufmerksamkeit strebt, ist doch nun wirklich ein uralter Hut.

      Tja - aber es wird nicht thematisiert, weil es so selbstverstaendlich ist. Oder es wird sogar tabuisiert, weil niemand eigentlich gerne zugibt, was seine Aufmerksamkeit wirklich erregt. Ueber Aufmerksamkeit wird bislang nicht so offen geredet wie ueber Geld, schon gar nicht in jenen Kreisen der Gesellschaft, die das Sagen haben, und es gibt auch noch keine dem Geld vergleichbaren Moeglichkeiten, mit Aufmerksamkeit ein Wirtschaftssystem zu etablieren. _Darum_ geht es in jenem Artikel, nicht um die triviale Tatsache, dass fast alle Menschen mehr oder weniger geltungssuechtig sind.

      viele Gruesse
        Stefan Muenz

      1. Hallo Stefan!

        meiner Ansicht nach eine Mischung aus Binsenweisheiten und Ansichten eines Menschen, für den das Wichtigste im Leben ist, möglichst weit oben in der sozialen Hirarchie zu stehen.

        Kann ich wiederum nicht nachvollziehen. Der Autor scheint mir "redlich" seine Gedanken zu verfolgen. Selbstbeweihraeucherndes kann ich da nicht finden in dem Artikel.

        Kleines Mißverständnis. Es ging mir hier um das, was er allgemein als Streben des Menschen annimmt:

        <cite>Sind die Grundbedürfnisse des Leibes einmal befriedigt, dann rückt die Rolle, die die eigene Person in anderem Bewußtsein spielt, ins Zentrum der Lebensinhalte.</cite>

        Nicht jedem ist es so immens wichtig, was Andere von ihm halten. Ich z.B. halte Langeweile für meinen größten Antrieb, nicht die Sehnsucht nach Aufmerksamkeit.

        Gruß
        Steffen

  3. Natuerlich kann die Aufmerksamkeit nicht das Geld ersetzen.

    Nein?

    Ich dachte, Konzepte wie "Werbung" realisieren bereits die direkte Umsetzung von Aufmerksamkeit ("Einschaltquote") in Geld, wenngleich bisher in ziemlich indirekter Art und Weise.

    Und mit Micropayments (oder wie das Zeig hieß, worüber Du neulich so gut geschrieben hast) wird es noch viel offensichtlicher funktionieren.

    Ebensowenig wie die Informationsgesellschaft die Industriegesellschaft ersetzen kann.

    Muß sie gar nicht. Information beeinflußt die Industriegestellschaft und schafft dort Mehrwert in Form von Produktivitätszuwachs, der sich wiederum in Geld umwandeln läßt.