Stonie: Babelfische im Internet - oder wird eh alles Englisch?

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Lieber Stefan, liebe Forumer,

Hach, klasse, das ist ein wunderbares Thema!

Es gibt eine interessante neue Portalseite fuer Links zu allem, was mit Woerterbuechern, Lexika, automatischen Uebersetzungen und linguistischen Spezialanwendungen fuer bestimmte Sprachen zu tun hat: http://www.yourdictionary.com/.

Vorneweg heissen Dank für diesen Link - ich hab' mich neulich halb dusselig gesucht nach einem Wörterbuch, das mir doch bitte das schöne Wort "Abmahnung" in's Spanische übersetzen sollte (*ganzbreitgrins* - wofür wohl?). Letztlich bekommen habe ich die Übersetzung von einem Kollegen hier vor Ort.

Beobachtbar ist zumindest, dass das Englische sich immer weiter von den uebrigen "Weltsprachen" Franzoesisch, Spanisch und Portugiesisch abhebt. (...) Auch die Haeufigkeit, mit der ein Normaldeutscher etwa mit dem Englischen konfrontiert wird, duerfte sich im Laufe der letzten dreissig Jahre vervielfacht haben. War die Ausbildung von Weltsprachen bis vor wenigen Jahrzehnten noch durch die europaeische Kolonialisierung der uebrigen Kontinente gesteuert, so werden heute zunehmend die Einfluesse des global business, aber auch der internationalen Wissenschaft und Technik massgeblich. Und auf all diesen Ebenen hat sich Englisch laengst durchgesetzt.

Wahr, nur zu wahr. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer: Verständigungssprache. Um sich verständigen zu können, muss man nicht zwangsläufig eine Sprache vollkommen beherrschen. Wenn ich den Weg wissen will, brauche ich nur eine wenige sprachliche Werkzeuge. Englisch ist auch auf dem besten Weg, für bestimmte, global wichtige Bereiche, wie beispielsweise die Informatiostechnologie oder den internationalen Handel, zur Fachsprache zu werden. Da muss man sicherlich einiges mehr wissen, aber man muss nicht notwendigerweise die Umgangssprache beherrschen. Will heissen: Wenn ich Stereoanlagen verkaufen will, brauche ich nicht in der Lage sein, die örtlichen Friseure zu vergleichen.

Schönes Beispiel: Ich habe das unverschämte Glück, in Paraguay zu leben. Dieses Land liegt in Südamerika, in der Folge sollte man eigentlich annehmen, dass hier Spanisch gesprochen wird. Kann man auch, es wird sicherlich auch Spanisch gesprochen. Die Muttersprache der Paraguayer ist allerdings Guaraní (das, nebenbei bemerkt, eine enge Verwandtschaft zum Japanischen aufweist) und dies ist auch die hiesige zweite Amtssprache. Die überwältigende Mehrheit der Menschen hier lernt Spanisch erst in der Schule, sozusagen als 1. Fremdsprache und die meisten Leute sprechen ein Spanisch, das jedem, der diese Sprache beherrscht, die Haare zu Berge stehen lässt. In der Folge ist es so, dass Spanisch in diesem Land als Verständigungssprache genutzt wird, Guaraní dagegen ist die Sprache, die für den Ausdruck von alltäglichen Ereignissen zuständig ist und durch diejenigen Wörter aus der spanischen Sprache bereichert wurde, die es im Guaraní nicht gab (beispielsweise "Radio").

Und ich denke, dass es so weltweit mit Englisch kommen wird. Alles, was hochoffiziell ist, wird wohl in einer einheitlichen Sprache formuliert werden - Englisch bietet sich hierfür an, denn es ist sehr einfach, sich die Grundkenntnisse anzueignen. Mit diesen Grundkenntnissen ist man in die Lage versetzt, kompliziertere Texte zu lesen, man muss die Sprache allerdings nicht unbedingt so weit beherrschen, um diese Texte selbst herzustellen oder sie zu verstehen, wenn sie einem vorgelesen werden. Nachdem ich Englisch unterrichte, sehe ich das jedesmal, wenn ich meine Schüler mit Texten überfordere, die eigentlich nicht ihrem Kenntnisstand entsprechen. Das klappt erstaunlich gut!

Also werden wir Englisch als Fach- und Verständigungssprache haben, die Umgangssprachen werden aber erhalten bleiben, sicherlich mit den entsprechenden aus der Fachsprache entlehnten Wörtern, aber als regionale Verständigungsgrundlage wird bleiben, was da ist, allein schon weil nicht jeder die Fach- beziehungsweise Verständigungssprache braucht. Deshalb meine ich eher, dass sich weit mehr Programmierer hinsetzen und an anständigen Babelfischen arbeiten werden. Das, was bisher dabei 'rauskommt, ist ja eher ein Notbehelf als eine ernstzunehmende Übersetzung. Auf lange Sicht kann ich mir aber durchaus vorstellen, dass es solche Programme geben wird, die im Zweifelsfall auch in Chats oder sogar für's Telefonieren genutzt werden können. Mich persönlich macht die Vorstellung etwas traurig, denn Sprachen sind meine Leidenschaft und es gibt für mich nichts schöneres als einen langen, unübersichtlichen Schachtelsatz, der mir richtig was zu denken gibt. Damit bin ich zwar nicht allein, gehöre aber doch einer Minderheit an. Die meisten Leute wären wohl sehr dankbar, wenn ihr XYZ-glot ein Mikrophon hätte und man nur hineinsprechen müsste, um eine Übersetzung zu erhalten. Das würde Reisenden das Leben viel leichter machen, stellt somit einen Markt dar und wird so sicher kommen wie das Amen in der Kirche.

Und welche Rolle spielt eigentlich der Einfluss der geschriebenen Sprache? Durch das Internet ist der Anteil schriftlicher Kommunikation zwischen Menschen extrem angestiegen. Neue, sprachrelevante Bausteine wie Smileys und Emoticons sind die sichtbaren Folgen. Koennte es sein, dass die Menschen auch dahin steuern, immer weniger miteinander zu reden und sich immer mehr zu schreiben? Mit den damit verbundenen sprachlichen Folgen wie mehr Symbolzeichen, Abkuerzungen, formalen Elementen? So dass am Ende die Leute mehr XML reden als Englisch?

Oh, ich glaube nicht, dass sich der Einfluss der geschriebenen Sprache wesentlich erhöhen wird. Es wird ja schon heftig daran gearbeitet, auch über das Internet die Möglichkeit der Übertragung von Sprache und bewegten Bildern zur Verfügung zu stellen. Der BigBrother hat ja auch schon eine LiveCam, so dass sich niemand mehr die Mühe machen muss, durchzulesen, was im Haus passiert. Ich denke eher, dass sich das Medium Internet dahin entwickeln wird, dass es Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, Kino, vielleicht sogar Bücher ersetzt. Wie das dann genutzt wird, liegt an den Interessen und der Bildung des einzelnen Nutzers. Und da sind wir ja immer noch völlig verschieden. Der Zugang zur Information ist also da, nur ob und wie er wirklich genutzt wird, ist die Frage. Ich denke, dass sich jeder aussuchen wird, was ihn am meisten interessiert. Mein Mann klagt heute noch darüber, dass viele Leute den Computer als bessere Schreibmaschine und Archivierungsmöglichkeit nutzen oder eben als Spielplatz. Jeder nach seiner Façon.... - Allerdings finde ich die Smileys und Emoticons wirklich hübsch als Bereicherung und nutze sie doch öfter mal ;o).

Tja, das ist es, was mir dazu einfällt. Hoffentlich fandet ihr's interessant.

File Griese

Stonie