Karin: Babelfische im Internet - oder wird eh alles Englisch?

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Lieber Stefan,

da Du jetzt gerade meine ureigene Domäne als Technische Redakteurin ansprichst, muß ich doch auch gleich meinen Senf (hoffentlich in genügender Qualität, also mindestens Händlmeiers für Weißwürste) zugeben.

Dadurch kommt sich vieles nahe und durcheinander, was ehemals sauber oder zumindest viel klarer voneinander getrennt war. Menschen, ihre Lebensweisen, Ansichten und Vorstellungen, aber auch ihre Sprachen. Um letztere soll es in diesem Thread mal gehen.

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Wir haben viele Sprachen auf der Welt. Diese unterschiedlichen Sprachen konnten entstehen, weil Voelker, Staemme, Klans usw. ohne oder nur mit sehr wenig Kontakt zu anderen Menschen ihre Kultur und ihren Alltag ueber Generationen hinweg entwickeln konnten. Es gibt ja unter Linguisten die Theorie, dass alle Sprachen urspruenglich von einer Sprache abstammen. Aber durch vergleichende Sprachwissenschaft ist das wohl kaum beweisbar. Zu unterschiedlich sind die einzelnen Sprachen, auch wenn es viele Gruppen und Familien gibt.

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Noch spannender als die Frage, ob es irgendwann in den Fruehzeiten des homo sapiens eine Einheitssprache gab, finde ich allerdings die Frage, ob die Menschheit auf eine solche Einheitssprache wieder zusteuert, und ob ein Medium wie das Internet diese Tendenz beguenstigt.

Wenn Du so sehr wie ich beruflich mitkriegtest, wie wichtig eine Bedienungsanleitung in der Landessprache ist, auch und gerade im Zusammenhang mit der Produkthaftung, würdest Du auf so eine Idee möglicherweis nicht kommen.

Eine Ex-Kollegin von mir hat z.B. gerade ein Lokalisierungsprojekt mit 18 (in Worten achtzehn) Sprachen in der Mache. Ich tippe eher darauf, daß die Möglichkeiten der Informationstechnologie genutzt werden, daß jeder in seiner Muttersprache kommunizieren kann, und die anderen verstehen ihn trotzdem.

Beobachtbar ist zumindest, dass das Englische sich immer weiter von den uebrigen "Weltsprachen" Franzoesisch, Spanisch und Portugiesisch abhebt.

Vergiß doch bitte nicht, daß auch Deutsch durchaus zu seiner Zeit den Charakter einer Weltsprache hatte.

Immer mehr Menschen aber, die unterschiedliche Muttersprachen sprechen und miteinander zu tun bekommen, sei es beruflich, auf Reisen, oder eben durch das Internet, einigen sich letztendlich auf Englisch als Verstaendigungssprache.

Aber gerade in den osteuropäischen Ländern, die m.E. in den nächsten Jahren an Bedeutung für uns gewinnen werden, kommst Du z.Zt. oft besser mit Deutsch als mit Englisch durch.

Auch die Haeufigkeit, mit der ein Normaldeutscher etwa mit dem Englischen konfrontiert wird, duerfte sich im Laufe der letzten dreissig Jahre vervielfacht haben.

Da hast Du sicher recht. Du könntest sogar fast schon 50 Jahre sagen.

War die Ausbildung von Weltsprachen bis vor wenigen Jahrzehnten noch durch die europaeische Kolonialisierung der uebrigen Kontinente gesteuert, so werden heute zunehmend die Einfluesse des global business, aber auch der internationalen Wissenschaft und Technik massgeblich. Und auf all diesen Ebenen hat sich Englisch laengst durchgesetzt.

Ich hab' da mal einen interessanten Artikel gelesen, daß das Englische Gefahr läuft, eben durch diese Internationalisierung als Wissenschafts- und  Berufssprache (wobei es nach diesem Artikel im Übrigen nach dem Krieg das Deutsche verdrängt haben soll) an Vielfalt und Ausdrucksmmitteln zu verlieren.

Meine Fragen, die ich nach diesen Bemerkungen mal zur Diskussion in den Raum werfen will, sind folgende:

Wird Englisch den Planeten erobern und andere Sprachen in den Rang von Lokal- und Zweitsprachen zurueckdraengen? Ist es z.B. vorstellbar, dass Englisch in 50 Jahren weltweit in fast allen Laendern als Amtssprache eingefuehrt sein wird, waehrend die herkoemmlichen Sprachen dieser Laender etwa auf die Bedeutung zuruecksinken, die bei uns die Dialekte haben (liebevoll gepflegt, aber nicht wirklich wichtig)?

Das glaube ich in dieser Vollständigkeit auf keinen Fall. Die europäischen Sprachen konnten ja auch in Afrika oder Asien nicht die einheimischen Sprachen verdrängen. Nachdem die gemeinsame Sprache die Einheimischen dazu befähigten, die Kolonialherren aus dem Land zu werfen, wurden durchaus die alten Stammessprachen, und oft damit auch -fehden, reaktiviert.

Ist es wuenschenswert, dass eine Sprache alle anderen verdraengt? Ist damit nicht auch eine Verarmung des Sagbaren verbunden? Wird eine Sprache, die nur zwei, drei Wortvarianten fuer "Schnee" kennt, in einem arktischen Land nicht fuer schreckliche Sprachverarmung sorgen?

Siehe mein Kommentar oben.

Oder geht das gar nicht? Koennte es nicht vielmehr so kommen, dass sich zwar eine Sprache durchsetzt, diese aber lokal extrem "koloriert" wird, so dass Sprachvarianten entstehen, die doch schon fast wieder eigene Sprachen sind?

Auch das glaube ich nicht. Gerade in einer Zeit, in der sich Menschen auf ihre lokale Identität besinnen (Wales, Schottland, oder auch der alte Witz: Ist nun Ober- oder Niederbayern das einzig legitime Bayern?) wird wohl eher auf Übersetzungsressourcen zurückgegriffen als auf die lokale Sprache verzichtet.

Und welche Rolle spielt eigentlich der Einfluss der geschriebenen Sprache? Durch das Internet ist der Anteil schriftlicher Kommunikation zwischen Menschen extrem angestiegen. Neue, sprachrelevante Bausteine wie Smileys und Emoticons sind die sichtbaren Folgen. Koennte es sein, dass die Menschen auch dahin steuern, immer weniger miteinander zu reden und sich immer mehr zu schreiben?

Auch hier glaube ich, daß eher Soundkarten und Mikros/Lautsprecher die Menschen bald dazu in die Lage zu versetzen, auch per Internet zu sprechen oder sich vorlesen zu lassen.

Bin gespannt, was euch einfaellt ;-)

mir fiele noch viel ein, aber jetzt muß ich mich mal wieder dem widmen, wofür mich mein Arbeitgeber bezahlt.

viele Gruesse
Karin