Sven Rautenberg: Websites ohne "www." nicht standardkonform?

Beitrag lesen

Moin!

Ich habe auf http://praegnanz.de/essays/138/homepage_traeume folgendes gelesen:

Zunächst mal: Die weiter oben vom Autor gemachten Äußerungen über "Unterverzeichnisse" von "www" sind technisch falsch. Jedenfalls in der dort ausgeführten Konsequenz, denn wenn man von "example.org" auf "www.example.org" wechselt, wechselt man noch lange nicht notwendig auf dem Webserver von einem Haupt- in ein Unterverzeichnis. Man _kann_ den Webserver so konfigurieren - aber man kann unter "example.org" und "www.example.org" auch zwei komplett verschiedene Maschinen haben, die eine in Amerika, die andere in Australien.

Websites ohne »www.« entsprechen nicht dem Standard. Ein FQDN besteht aus einem Host, einer Domain und einer TLD. Das »www.« ist der Hostname.

Diese Aussage ist falsch. Richtig ist: Ein FQDN ist die vollständige Bezeichnung, unter der man einen Host im DNS auffinden kann. Richtig ist auch, dass dazu sowohl der Name des Hosts, als auch die Domain zusammengesetzt werden müssen.

Falsch ist, dass der Host zwingend ein Präfix vor dem Teil sein muß, der gerne als "Domain" bezeichnet wird. Man kann im DNS perfekt auch für "example.org" eine IP-Adresse definieren und den HTTP-Server dann anweisen, für diesen Namen Webseiten auszuliefern, und das müssen auch nicht dieselben Webseiten sein, wie für die technisch vollkommen andere Domain "www.example.org", die der Admin absichtlich auf dieselbe IP konfigurieren könnte.

http://www.ietf.org/proceedings/03mar/I-D/draft-ietf-dhc-host-option-considerations-02.txt,
Nr. 2. – 3. Definition

Diese Quellenangabe besagt gar nichts im Hinblick auf das Problem. Was hat der Kommentator da eigentlich zusammengesucht?

Nochmal allgemein zum Problem "Hostnamen, Domains, etc.":

Der Hostname ist in der Tat der erste Bestandteil eines FQDN. Wenn man also "example.org" als FQDN hat, dann ist zweifelsfrei der Hostname "example". Und die Domain dazu wäre dann ".org".

Andere Server wie z.B. der Mailserver würden "mail.example.org" heißen können, da wäre der Hostname dann "mail" und die Domain ist ".example.org".

Es gibt also das Problem, dass sich die Domain der zwei FQDN unterscheidet. Wann ist das ein Problem? Immer dann, wenn man nicht über den FQDN auf einen Rechner zugreifen will, sondern nur über den Hostnamen.

Die lokale DNS-Bibliothek kann nämlich die eigene Domain konfiguriert kriegen, unter der der eigene Rechner im Netz erreichbar ist. Angenommen, ein Arbeitsrechner hieße "client01.example.org", dann wäre die Domain dort ebenfalls ".example.org". Der Benutzer dieses Rechners kann jetzt sein Mailprogramm konfigurieren. Dazu muß er den Mailserver angeben. Er kann das mit dem FQDN tun, also "mail.example.org" eingeben, oder er kann das mit dem Hostnamen tun und einfach "mail" eingeben. Die DNS-Bibliothek wird feststellen, dass sie für "mail" keinen Namen vom DNS-Server erhält, also probiert sie es mit dem Anhängen der Domain nochmal. "mail" + ".example.org" ergibt "mail.example.org" - und das ist der Mailserver.

Genauso kann der Benutzer von "client01.example.org" auch einen Browser benutzen, um auf die Firmenwebpage zu gelangen. Und genau dort ist jetzt der Unterschied. Gibt er als URL nur "http://www/" ein, dann wird die DNS-Bibliothek genau wie beim Mailserver vermutlich ".example.org" hinter den Hostnamen "www" hängen und somit auf "www.example.org" zugreifen. Dort befindet sich wahrscheinlich die Website.

Will der Benutzer aber auf "http://example.org" zugreifen, dann muß er diese Adresse tatsächlich vollständig eingeben, die DNS-Bibliothek seines Rechners kann ihm in diesem Fall nicht durch Vervollständigung des Namens helfen.

Aber jetzt mal die Frage: Wer überhaupt ruft die eigene Firmenwebsite nur über den Hostnamen "www" auf? Niemand tut das, und das hat einen Grund: Virtuelle Hosts. Der Browser schickt nämlich den EINGEGEBENEN Servernamen mit zum Server um zu sagen, welcher virtuelle Host sich angesprochen fühlen soll. Es ist aber unmöglich, einen Server so zu konfigurieren, dass die hundert Firmenwebsites, die ein Provider auf einem Server hat, alle auch als "www" ansprechbar sind. Deshalb ist es schon allein aus diesem Grund notwendig, die Firmenwebsite immer unter dem vollständigen Namen aufzurufen - selbst wenn sie mit "www" beginnt.

Und auch die Geschichte mit dem Mailserver weiter oben ist heutzutage wirklich "out". Niemand wird real tatsächlich nur den Hostnamen des Mailservers in sein Mailprogramm eintragen - er wäre dann absolut abhängig von der korrekten Konfiguration des Domainnamens - und auf den haben die meisten Benutzer heute keinerlei Einfluß, weil sie sich z.B. mit Modem oder DSL dynamisch bei einem Provider einen Nameserver zuweisen lassen, und damit auch keine verlässliche Domain zugewiesen kriegen. Abgesehen davon hilft es dem GMX-Nutzer wenig, wenn er als Domain "t-dialin.net" erhält, denn der Mailserver steht ja bei GMX in einer GMX-Domain.

WWW ist auch keine Subdomain. Wenn man www.www.xyz.de hat, wäre das zweite www eine Subdomain.

Dieser Satz ist rein technisch richtig, allerdings hat auch hier eine Begriffsvermischung stattgefunden. Als Subdomain wird in der Providerwerbung bezeichnet, dass man anstelle des www auch andere Namen vor die eigene Domain setzen kann und damit weitere, ggf. getrennte Websites ansprechen kann.

Technisch gesehen ist auch "www" nach dieser Definition eine Subdomain. Oder nach der FQDN-Lesart eben ein Hostname. Klingt nur nicht so cool, deshalb hat man's vermutlich nicht streng technisch bezeichnet.

Die Applikation, welche in dieser Domain genutzt wird, sollte normalerweise vor die (Sub-)Domain gesetzt werden. Also ftp.xyz.de, www.xyz.de, gopher.xyz.de, wais.xyz.de, mail.xyz.de usw.

Das kann man so machen, man muß es aber nicht. Domainnamen haben mit der Anwendung, für die sie gelten sollen, erstmal absolut nichts zu tun. Sie sind reine Menschenerfindungen, Namen für etwas, dass man sich dadurch leichter merken kann. Dem Browser beispielsweise ist vollkommen egal, ob der Webserver jetzt "www.example.org" heißt, oder "kaffeemaschine.example.org" - für ihn ist das gewählte Protokoll wichtig: "http:" muß vorn in der URL stehen (nette Browser nehmen an, dass eine fehlende Protokollangabe wohl "http:" meint, und fügen es automatisch ein).

Deshalb: Wenn man die Applikation in den Hostnamen schreiben würde, dann müßte man sich eigentlich mit "http.example.org" verbinden, denn die anderen Server heißen ja auch "ftp.example.org", "smtp.example.org", "pop.example.org",... Es würde sich im Englischen auch viel leichter sprechen lassen, das "http" (eitsch-ti-ti-pi) anstelle des "www" (dabbelju-dabbelju-dabbelju).

Verwendet ihr irgendwo einen Mailserver, der nur z.B. meine-domain.name oder gmx.net heisst? Nein, immer mail.meine-domain.name bzw. mail.gmx.net (oder auch smtp/pop/imap/...). Das ist der gleiche Grund.

Der Mailserver heißt "mail.example.org", weil er in der Regel nicht auf der gleichen Maschine liegt, wie die Website. Die andere Maschine hat eine andere IP, und um die andere IP zu erfahren braucht man einen anderen Namen.

Das DNS-System und die Namen sind eben eine Mixtur aus technischer Logik, menschlicher Kreativität im Erfinden von Namen und menschlicher Faulheit beim Tippen der Namen.

Hat der Autor dieses Textes recht?
Wenn ja, darf man in diesem Fall gegen Standards verstoßen?

Unter dem Strich: Der Autor liegt voll daneben. Er zitiert Standards, die nicht im geringsten untermauern, auf was er abzielt, und er hat das DNS-System vermutlich noch nicht wirklich verstanden.

Also bitte ignorieren.

  • Sven Rautenberg