Siechfred: Siechfreds Steuertipp 12/2006

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Hell-O!

Aus gegebenem Anlass erlaube ich mir, die werte Gemeinde auf aktuelle Entwicklungen im deutschen Steuerdschungel hinzuweisen. Der Tipp richtet sich diesmal an alle, die studieren bzw. bei denen das Studium noch keine Ewigkeiten zurückliegt.

Mit Urteil vom 20.07.2006 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Kosten im Zusammenhang mit einem Erststudium vorweggenommene Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben sind. Dafür muss es einen konkreten objektiv feststellbaren Zusammenhang mit einer künftigen steuerpflichtigen Tätigkeit geben (Anstellung, Selbständigkeit), die von der Rechtsprechung grundsätzlich bejaht wird. Einzig bei häufigem Wechsel der Studienrichtung oder bei Langzeitstudenten sieht das Gericht diesen Zusammenhang nicht mehr. Allerdings bleibt dem Studenten in diesen Fällen natürlich die Möglichkeit offen, diesen Zusammenhang glaubhaft zu machen und so auch in den Genuss dieser Regelung zu kommen.

Die seit dem Jahr 2004 geltende Regelung, dass solche Aufwendungen zu den nicht berücksichtigungsfähigen Kosten der privaten Lebensführung gehören (§ 12 Nr. 5 EStG) dürfte nicht verfassungskonform sein (Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip). Bei der Ermittlung der Kosten spielt es grundsätzlich keine Rolle, wer die Kosten getragen hat, z.B. wenn die Eltern die Unterkunft bezahlen (sog. Drittaufwands-Urteil).

Nun stellt sich natürlich die Frage: Wem nützt das?

Das deutsche Einkommensteuerrecht kennt das Instrument des Verlustvortrages. Da ein Student in aller Regel keine oder nur geringe steuerlich relevante Einkünfte hat, wird sich in den meisten Fällen in den Jahren des Studierens durch den Ansatz der studienbedingten Kosten (z.B. Fahrtkosten, Studiengebühren, Arbeitsmittel, doppelter Haushalt usw.) ein Verlust ergeben, von dem das Finanzamt noch nichts weiß, da Studenten in den seltensten Fällen eine Steuererklärung abgeben. Selbst wenn aus verschiedenen Gründen (Auslauf der 2-jährigen Antragsfrist, Verjährung) kein Einkommensteuerbescheid mehr ergehen kann, ist trotzdem eine Verlustfeststellung durchzuführen (BFH-Urteil vom 01.03.2006), und zwar so lange, wie dieser Verlust für offene Jahre von Bedeutung sein könnte. Daraus folgt auch, dass nach derzeitiger Rechtslage Verluste auch noch weit in die Vergangenheit zurück geltend gemacht werden könnten. Dem hat der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2007 einen Riegel vorgeschoben, sodass man in 2006 bis maximal 2002 zurückgehen kann.

Für diejenigen, die eine Steuererklärung abzugeben hätten, weil sie nebenbei aus einer wie auch immer gearteten Selbständigkeit mehr als 400 Euro verdient haben, gilt die allgemeine Verjährungsfrist, sodass sie in 2006 sogar bis 1999 zurück gehen könnten.

Für die Fälle, dass Steuererklärungen abgegeben wurden, in denen die Steuer mit 0 DM festgesetzt wurde, siehe Schlussbemerkung in diesem Posting.

Nur in den Fällen, in denen der Student eine Steuererklärung abgegeben hat, auf deren Grundlage eine Steuer größer 0 festgesetzt wurde, profitiert man für vergangene Jahre nicht mehr von dieser Rechtsprechung, wenn die Bescheide bestandskräftig sind (Einspruchsfrist abgelaufen und kein Vorbehalt der Nachprüfung).

Beispiel:

Student S (ledig, keine Kinder) hat von 1999 bis 2004 studiert, seit 2005 ist er Angestellter. In den Studienjahren sind jeweils 5.000 EUR Studienkosten angefallen, S hat sich mit Bafög, elterlicher Unterstützung und Minijobs über Wasser gehalten und keine Einkommensteuererklärung abgegeben - es bestand auch keine Verpflichtung dazu. In 2005 hat er 36.000 Euro brutto verdient und rund 6.700 Euro Lohnsteuer gezahlt, die Einkommensteuererstattung 2005 ist marginal, sagen wir: 200 Euro. Somit hätte er für 2005 insgesamt 6.500 Euro Steuern zu zahlen.

Nach dem Jahressteuergesetz 2007 kann er bis maximal 2002 zurück. Er stellt also bei seinem Finanzamt den Antrag, für die Jahre 2002 bis 2004 die Studienkosten zu berücksichtigen und eine Verlust festzustellen. Es ergeben sich insgesamt 15.000 Euro. Diese kann er 2005 mit seinem Gehalt verrechnen und so seine Einkommensteuer von rund 6.500 auf 2.300 Euro "drücken". Er bekommt 4.200 Euro vom Amt erstattet.

Noch nicht entschieden ist der Fall, wenn der Student Steuererklärungen abgegeben hat, hierzu sei auf das unter dem Az. XI R 40/06 beim Bundesfinanzhof anhängige Verfahren verwiesen, an das man sich dranhängen kann.

Siechfred

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Ich bin strenggenommen auch nur interessierter Laie. (molily)
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